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Beitrag vom 20.06.2013
Anti-Homosexuellen Gesetz in Russland - CSD am 22. Juni 2013 fordert ein Ende der Diskriminierung
Madeleine Jeschke
Die Staatsduma beschließt das Verbot der "Homosexuellen Propaganda" und drängt schwullesbischetransintere Menschen immer weiter an den Rand der Gesellschaft. Im Rahmen des diesjährigen CSD werden...
... wieder russische AktivistInnen in Berlin präsent sein und es werden erneut Aktionen gegen die neuen Gesetze stattfinden
Der 35. CSD Berlin wird noch politischer. Unter dem Motto "Schluss mit Sonntagsreden! Demonstrieren! Wählen! Verändern!", das maßgeblich von der kommenden Bundestagwahl bestimmt ist, fordert der Berliner CSD e.V. ein Ende der Diskriminierung und falscher Wahlversprechen, die in der Vergangenheit zur gesetzlichen Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften gemacht wurden.
Besonders die Union hatte sich lange gegen die steuerrechtliche Gleichstellung gewehrt. Nun gerät sie durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2013, dass es als verfassungswidrig erklärt, eingetragenen Lebenspartnerschaften Steuervorteile vorzuenthalten, unter Zugzwang. Es herrscht jedoch weiterhin Widerstand innerhalb der CDU/CSU gegenüber einer vollen Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe und beim Adoptionsrecht. Aus diesem Grund und wegen zahlreicher polemischer Äußerungen von CDU-PolitikerInnen, wie Volker Krauder ("Die Homo-Ehe lehne ich als radikale Fehlentwicklung strickt ab.") oder Katherina Reiche (" Wir sollten uns nicht um Rechtsrandgebiete kümmern."), hat der Berliner CSD e.V. beschlossen, die CDU/CSU beim 35. CSD Berlin nicht zuzulassen. Der Geschäftsführer des CSD Berlin Robert Kastl kündigte an: "Wir lassen uns nicht mit leeren Versprechungen und Sonntagsreden abspeisen! Der CSD Berlin 2013 wird bunter, frecher, vielfältiger und vor allem noch politischer!"
Wie aktuell die Bekämpfung der Diskriminierung Homosexueller auch auf politischer Ebene ist, zeigt sich an einem vom russischen Parlament (Duma) am 11. Juni 2013 verabschiedeten Gesetz, das die sogenannte "Homo-Propaganda" unter Strafe stellt.
Reden über Homosexualität wird in Russland strafbar
Mit 442 von 443 Stimmen beschloss die Staatsduma, die "Propaganda" "nicht traditioneller sexueller Beziehungen" zu verbieten, vorgeblich, um Minderjährige vor Beeinflussung zu schützen. Die Definition von Propaganda ist dabei laut CSD e.V. weit gefasst und beschreibt das "Aufdrängen von Informationen über nichttraditionelle sexuelle Beziehungen, die Interesse an solchen Beziehungen wecken können."
Somit könnte schon das Sprechen über Homosexualität vor Jugendlichen strafbar werden. Auch wird die Aufklärung über Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität dadurch unmöglich gemacht und schürt Vorurteile und Hass innerhalb der Bevölkerung.
Als Höchststrafe drohen umgerechnet bis zu 25.000 Euro Geldbuße. Medien, die über Homosexualität berichten, können für drei Monate geschlossen werden. Das Gesetz muss nur noch vom Föderationsrat gebilligt und vom Präsidenten der Russischen Föderation unterzeichnet werden, um in Kraft treten zu können.
"Eine solche Entscheidung, mit der sich Russland endgültig von weltweit gültigen Menschenrechten wie der Meinungsfreiheit, der Menschenwürde und der Demonstrationsfreiheit verabschiedet, ist nicht hinnehmbar", schreibt der CSD e.V. in seiner Pressemitteilung. Bei Protesten gegen die Verabschiedung des Gesetzes wurden zahlreiche AktivistInnen verhaftet und vom wütenden Mob verletzt.
Auch der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Markus Löning (FDP), reagierte betroffen über das Gesetz und erklärte am 12. Juni 2013 in Berlin: "Russland kriminalisiert Homosexualität als ´nicht-traditionelle sexuelle Beziehung´. Schwulen und Lesben, die sich in der Öffentlichkeit bekennen, drohen Geldstrafen und sogar Haft. Positive Berichterstattung über Homosexualität wird praktisch unmöglich gemacht. Damit werden Homosexuelle noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt und die Presse- und Meinungsfreiheit noch weiter eingeschränkt.
Löning appelliert an die zweite Kammer des Parlaments und an Präsident Putin, das Gesetz zu stoppen: "Russland verstößt mit dem Gesetz gegen internationale Verpflichtungen zum Schutz seiner Bürger vor Diskriminierung, darunter auch die Europäische Menschenrechtskonvention."
Durch das Gesetz drohen auch AusländerInnen bei Weitergabe von Informationen, öffentlicher Demonstration und Unterstützung von Homosexualität Geldstrafen in Höhe von bis zu 100.000 Rubel (rund 2.300 Euro), bis zu 15 Tage Haft und die Ausweisung aus der Russischen Föderation. Die Reisehinweise wurden dem Auswärtigen Amt zufolge auf Veranlassung von Außenminister Guido Westerwelle geändert.
CSD Berlin fordert die Beschränkung der Städtepartnerschaft mit Moskau auf schwullesbischetransintere Projekte
"Es ist für ein Bundesland, dem ein offen schwuler Regierender Bürgermeister vorsteht, nicht hinnehmbar, dass schon die bloße Erwähnung von Homosexualität in der Öffentlichkeit Strafen nach sich zieht." heißt es Seitens des CSD e.V. Indem Berlin seine Beziehungen zur Partnerstadt Moskau nur auf schwullesbischetransintere Projekte beschränkt, leiste es "seinen Beitrag, der systematischen Verfolgung und Verdrängung einer ganzen Bevölkerungsgruppe entgegenzuwirken. Sollte sich Moskau nicht dazu in der Lage sehen, schwullesbischetransintere Kultur darzustellen und versuchen, Berlin zu diktieren, welche Menschen "akzeptabel" sind und welche nicht, erreicht die russische Zensur auch Deutschland und macht eine solche Partnerschaft nicht mehr länger tragbar."
Russlands lange Tradition homosexueller Diskriminierung
In der orthodox geprägten russischen Gesellschaft wird Homosexualität weitgehend abgelehnt und tabuisiert. Es kommt immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen gegenüber nicht-heteronormativ auftretenden Menschen. Russland hatte erst 1993 die Definition von Homosexualität als Straftatbestand aufgehoben und erst 1999 wurde sie von der Liste der Geisteskrankheiten gestrichen. 2011/2012 erfolgten in Sankt Petersburg Verbotsgesetze, welche die sogenannte "homosexuelle Propaganda" in der Öffentlichkeit unmöglich machen sollen. In Moskau forderte die orthodoxe Bevölkerung das Stadtparlament im Oktober 2012 auf, ein Gesetz zu erarbeiten, das der Gesetzgebung St. Petersburgs entspricht. Diese Initiative wurde von Moskauer Abgeordneten unterstützt. Schwullesbischetransintere AktivistInnen reagierten auf die Gesetzesentwürfe mit Protesten. Im Januar 2013 wurden sechs friedlich demonstrierende Personen in einer Provinzhauptstadt von über 500 Menschen angegriffen. Zwei Tage später gab es öffentliche Aktionen in Moskau, Sankt Petersburg, Archangelsk und Tomsk gegen den Gesetzentwurf, die brutal von der Polizei beendet wurden.
Der CSD hat schon im vergangenen Jahr auf die Diskriminierung Homosexueller in Russland aufmerksam gemacht. In diesem Jahr hat der CSD Berlin 30 AktivistInnen aus Russland eingeladen, um ihnen für ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen zu danken. Aus aktuellem Anlass wird die diesjährige Abschlussparty des CSD unter dem Motto: "Revolution! Queer durch Russland" ab 23 Uhr im GMF Weekend stattfinden. Damit will der CSD Berlin ein Zeichen setzten und für Toleranz, Akzeptanz und Gleichberechtigung demonstrieren
Be a Part of it!
Tickets und Informationen unter: www.gmf-berlin.de
Weitere Infos und Programm des 35. CSD:
www.csd-berlin.de
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(Quellen: CSD e.V. Berlin, Auswärtiges Amt, Spiegel Online)